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Wir haben die beiden Kontrollposten hinter Nouadhibou passiert. Wir, das sind drei Fahrzeuge und fünf Leute. Ein Witz im Vergleich zu vorgestern, wo wir hier mit 60 Fahrzeugen und der doppelten Menge an Personen standen. Wir waren mit dem zweimal wöchentlich stattfindenden Konvoi aus Dakhla gekommen, wobei die 40 Streckenkilometer von der Grenze bis Nouadhibou von frühmorgens bis Mitternacht in Anspruch genommen hatten. Am nächsten Tag in Nouadhibou noch mehr Formalitäten, und dann ab Richtung Nouakchott, der  Hauptstadt Mauretaniens.

Die Fahrt geht zunächst entlang der Bahngeleise. Da kommt uns, in eine mächtige Staubwolke gehüllt, der Erzzug entgegen. Vorne drei Loks, hinten eine. Ein zehnminütiges Dröhnen, Donnern und Kreischen. Es ist der längste Zug der Welt, der Eisenerz aus dem Landesinneren zur Verschiffung an die Küste bringt. Es wird gemunkelt, daß er bis zu 3,5 km lang ist. Selbst bekennende Technikgegner erschauern in Ehrfurcht angesichts dieses Spektakels.

Dann nicht enden wollendes unwegsames Gelände, in dem sich Sand, Steine, Kuppen und Senken abwechseln. Äußerste Konzentration ist geboten, um hier nicht den Wagen zu ruinieren.

Dann wieder das Meer. Eine flache Lagune zieht sich weit in die Wüste hinein, Felsen im Wasser scheinen in der Luft zu schweben. Ein phantastischer Anblick. Leider wird die Freude durch den hier feuchten, von tiefen Fahrspuren zerfurchten Sand getrübt, der die Autos regelrecht festleimt. Letztes Jahr wollte der Fahrer eines holländischen  Monstertrucks (vier angetriebene Achsen, gewaltige Räder, riesen Bodenfreiheit) ein wenig abkürzen und ist zu nah an die Wasserkante gekommen. Der tückische Schlamm hat das eigentlich unverwundbare Fahrzeug bis zum Bodenblech in sich hineingesogen. Wie es jemals wieder freigekommen ist, bleibt mir ein Rätsel.

Erste Rast bei den Sicheldünen. Mit ihren ca. 30 Metern Höhe bieten sie eine ideale Rodelabfahrt. Also die Tischplatte vom Campinggestühl raus, und ab geht`s. Eine Mordsgaudi. Unser immer ernster Führer kocht Tee und schüttelt den Kopf, wie sich erwachsene Leute so gehen lassen können.

Nach Überquerung einiger großer Dünen, verbunden mit heftigem Einsanden und einem leckgeschlagenen Kühler, erreichen wir gegen Abend wieder das Meer. Hier heißt es übernachten und auf die nächste Ebbe am frühen Morgen warten. Denn von hier aus geht es die restlichen 160 km direkt auf dem Strand entlang. Wir haben Glück und erwischen eine "gute" Ebbe, das heißt der Strand ist breit und das Fahren bequem. Wunderbarer Gegensatz von tosendem Atlantik und karger Wüste, auf deren schmaler Trennungslinie wir dahinfahren. An einigen Stellen ergießen gewaltige Dünen ihre Sandfracht direkt ins Meer. In der flimmernden Luft entpuppen sich schneeweiße Felsbarrieren beim näherkommen als riesige Vogelschwärme, die lärmend den Weg freigeben. Über dem Wasser ziehen gemächlich Pelikane vorbei. Ein Schakal, der an der Wasserkante nach Nahrung gestöbert hat, sucht schleunigst das Weite. Traumhafte Eindrücke, die immer spärlicher werden, je näher wir der Hauptstadt kommen. Denn hier finden sich mehr und mehr Fischersiedlungen mit den unvermeidlichen Begleitumständen: Müll, Wrackteile, Kadaver von Fischen, Meeresschildkröten und Delphinen.

Aufatmen beim Erreichen der Teerstraße. Die Autos haben die größte Strapaze fast schadlos überstanden, nun bedeutet selbst ein größerer Schaden nicht mehr zwangsläufig das "aus". Aber trotzdem ist es noch ein weiter, interessanter Weg bis Gambia.

 

Szenenwechsel

Dezember 1995

Lautlos gleitet die Piroge über den Fluß. Nur Frösche und Insekten sind am Ufer zu hören. Unser Fährmann ist stumm. Hat ihm die Maurenmafia die Zunge herausgeschnitten, um ihn für ihre Dienste nutzbar zu machen? Gibt es am Ufer hinter uns Grenzpatrouillen? Wenn ja: werden sie schießen, wenn sie uns entdecken? In der Phantasie drängen sich Bilder auf von im Wasser treibenden Gepäckstücken, der sinkenden Piroge, dazwischen reckt sich lautlos noch ein letztes mal eine Hand aus dem Wasser... Alles Horrorvisionen, das Boot legt schon am Steg eines traumhaft schönen Hotels an. Trotz der ungewöhnlichen Uhrzeit (drei Uhr früh) trägt der Portier ohne Fragen zu stellen unser Gepäck rein. Erst als wir auf den Anmeldeformularen lesen "Republique du Senegal" fällt jegliche Spannung von uns ab und selbst Jörn, der Antialkoholiker, kippt in dem besinnungslosen Freudentaumel innerhalb weniger Augenblicke drei Bier in sich hinein.

 

Was war geschehen? Wir waren, nachdem es in Algerien, Mali und Niger zu unsicher geworden war, zum erstenmal auf der "Mauretanienroute" nach Westafrika unterwegs und waren prompt der mauretanischen "Automafia" auf den Leim gegangen. Schon der für Anfänger absolut empfehlenswerte einheimische Führer hatte uns die ganze Zeit traumhafte Preise für unsere Autos ins Ohr geflüstert. Kaum in der Hauptstadt Nouakchott angekommen kamen auch schon zwei überaus freundliche und vertrauenerweckende Herren auf uns zu, die exakt die uns eingeimpften Beträge bar in französischen Francs bei sich hatten. Unsere Bedenken bezüglich der in die Pässe eingetragenen Fahrzeuge wurden mit der Bemerkung vom Tisch gewischt, daß man natürlich beste Beziehungen zum Zollchef am Ausreiseort unterhalten würde. Kurz und gut, wir haben den Deal gemacht. Zwei Tage später kamen zwei Gehilfen unserer "Geschäftspartner", um uns die 200 km zur Grenze zu bringen.

Die Fahrt ging gegen zehn Uhr abends los. Nach etwa 20 km der erste Zollposten an der Straße. Rund 15 Mann, schwer bewaffnet, Nagelbretter am Straßenrand. Gepäck auspacken. Die Autopapiere kommen zum Vorschein, die wir zur Sicherheit bis zur Grenze bei uns behalten wollten. So, so, was haben wir denn hier? Unsere paar faulen Ausreden helfen nichts. Nach wenigen Augenblicken wird die exorbitante Summe von 6000 Francs in den Raum gestellt, immerhin knapp 2000 DM. Dies für einen üblen Scherz haltend, fangen wir an zu handeln. Daraufhin wird unser Gepäck auf einen Zollwagen geworfen und uns befohlen, einzusteigen. Uns wird schlagartig klar, das hier ist kein Spaß mehr. Es geht zum Zollhauptquartier, unsere Chauffeure sind auch mit von der Partie. Dort angekommen raunt mir einer der beiden zu, ich solle ihm noch schnell das geforderte Geld geben. Wunderlicherweise läßt man mich an meinem Gepäck herumnesteln, bevor es weggeschlossen wird. Er kriegt das Geld und verschwindet, wir werden in eine doch immerhin recht saubere Zelle gesperrt. Morgen früh um neun, wenn der Chef da ist, sollen wir verhört werden. Panik macht sich breit. Wir haben uns eines nicht unerheblichen Vergehens schuldig gemacht, daran gibt es nichts zu rütteln.

Morgens um acht werden wir rausgelassen und kommentarlos von Zöllnern in ein Privathaus irgendwo in der Stadt gebracht. Dort dämmern wir in absoluter Unwissenheit, was eigentlich los ist, vor uns hin. Unsere Bewachung besteht aus einer alten Frau, die die ganze Zeit debil vor sich hinbrabbelt, sich die grindigen Beine mit einer übelriechenden Tinktur einreibt und sich in krampfartigen Hustenanfällen enormer Mengen Auswurfes entledigt, den sie einfach irgendwo in den Raum rotzt. Ein unauffälliger Versuch, die Tür zu öffnen, scheitert an einem von außen davorgerollten Riesenstein.

Gegen Mitternacht draußen Rumoren, die Tür geht auf, unsere  beiden Jungs sind da. Schnell, schnell, wir müssen sofort los, zur Grenze. Unterwegs schärfen sie uns ein, daß wir uns auf ein bestimmtes Stichwort hinten im Fußraum des Autos ganz, ganz klein machen müssen, und einer seinen Umhang über uns wirft, damit wir an Kontrollposten nicht entdeckt werden. Diese Prozedur lassen wir mindestens zehn mal über uns ergehen. Während wir uns grotesk zusammengekauert gegenseitig unseren stinkenden Atem ins Gesicht keuchen, hören wir sie mit den Kontrollposten Witze reißen und sich kaputtlachen. Vermutlich über uns. Je weiter wir uns aber von Nouakchott entfernen, um so nervöser werden die beiden. Uns wird klar, hier kennen sie niemanden mehr. Irgendwann fühlen sie sich verfolgt und rasen völlig kopflos in die Dünen neben der Straße. Ein harmloses Taxi fährt vorbei. Aus dem Sand herausfahren scheitert aber an der rutschenden Kupplung. Die beiden setzen sich hin und schauen den Himmel an. Allah wird`s schon richten.

Jörn und ich sind nervlich völlig am Ende. Jörn sagt "mir ist jetzt alles egal, ich leg mich auf die Straße, und wenn die Bullen kommen, ist wenigstens alles zu ende". Zum Glück besinnt er sich eines besseren, und wir schleppen die wenigen Steine aus der näheren Umgebung heran, um einen Anfahrweg zu schaffen. Klappt auch, aber nach ein paar Kilometern hat der Wagen einen Platten. Es ist zum Kotzen. Während die Mauren das Rad wechseln, müssen wir uns hinter einem Busch verstecken. Wir sind inzwischen völlig willenlos, und als Jörn sich im Hinkauern einen riesigen Akaziendorn in die Hand jagt, stiert er die Bescherung nur an und sagt "ich spüre schon gar nichts mehr". Am Grenzfluß angelangt kam dann "nur" noch die illegale Ausreise mit der Piroge.

Ich bin auf späteren Reisen noch fünfmal an dem besagten ersten Kontrollposten vorbeigekommen. Er war jedesmal vollkommen unbesetzt. Das heißt, man hat an jenem Abend nur auf uns gewartet. Führer, Autokäufer und Zoll haben zusammengearbeitet und sich den Reibach aufgeteilt. Ich habe im Lauf der Zeit etliche Leute getroffen, die ähnliche Geschichten erzählt haben, und vielen ist es noch viel schlimmer ergangen.

 

Aber natürlich ist der größte Teil der Erlebnisse auf einer solchen Reise ganz anderer, positiver Natur. Damit meine ich nicht zuletzt den allmählichen Wechsel des Klimas, der Landschaft, der Menschen. Man fährt bei winterlicher Kälte zuhause los, ist nach drei Tagen im frühlingshaften Südspanien. Dann der Übergang der oft regnerischen Gebirge Marokkos zur Halbwüste und Wüste. Am Südrand der Sahara nimmt die Vegetation allmählich wieder zu, und plötzlich ist man in Schwarzafrika, wo es bunt, lebhaft und locker zugeht.

Natürlich gehören auch immer Streßsituationen dazu. Lange Fahrzeiten, Autopannen, langwierige Grenzformalitäten, schlechtes Wetter und gruppendynamische Prozesse gehören dazu. Aber diese Probleme zu meistern stellt eine ganz besondere Herausforderung dar. Bisher ist letztendlich immer alles gutgegangen, obwohl es manchmal hoffnungslos erschien. Und fast alle, die eine solche Tour einmal gemacht haben, werden von einer Art Sucht gepackt, die sie immer wieder dorthin zieht. Selbst Leute, die jahrelang nicht gefahren sind, kommen immer wieder ins Schwärmen und sagen "einmal, ein letztes mal, muß ich`s noch machen".

Daher ist eine Reise mit dem Auto von Europa nach Afrika immer wieder ein unvergeßliches Erlebnis und eine der letzten Möglichkeiten, einen völlig anderen Kulturkreis individuell und mit vergleichsweise geringem finanziellem Aufwand kennen zu lernen.

 

Da ich jeden Winter zwischen Dezember und April ein- bis zweimal "runterfahre" und sicher bin, daß es viele gibt, die aufgrund mangelnder Erfahrung oder Zeitmangel für die Vorbereitungen eine solche Reise scheuen, obwohl sie das schon immer mal machen wollten, möchte ich interessierten Leuten die Möglichkeit einer Mitfahrgelegenheit anbieten.

Bei Interesse meldet euch einfach unter tolthoff@yahoo.com, dann gibt es mehr Infos.

 

 

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